User-Ausbildung in XXL-Projekten

15. Oktober 2019

Gerade in grossen Organisationen stösst die Wissensvermittlung aufgrund der zeitlichen und räumlichen Flexibilisierung der Arbeitsformen auf neue Herausforderungen. Die schnelle Weiterentwicklung von Technologien und der sehr unterschiedliche Erfahrungsstand der Mitarbeitenden im Umgang mit digitalen Werkzeugen bedingen rasch aktualisierbare und gleichzeitig auch möglichst individuelle Lernmittel und -formen.

Erfahren Sie hier, wie wir in einem Grossprojekt zur organisationsweiten Einführung einer Standardsoftware mit diesen Herausforderungen umgegangen sind.

Ausbildung und Schulung im Zuge der Digitalisierung

Mit der fortschreitenden Digitalisierung und der Einführung neuer Arbeitsmittel und -formen gewinnt die Ausbildung der Mitarbeitenden an Bedeutung. Einerseits müssen sich Mitarbeitende noch stärker weiterbilden, um mit den (technologischen) Veränderungen Schritt halten zu können. Anderseits müssen Arbeitgeber bei der Einführung neuer Software-Systeme und den damit einhergehenden neuen Arbeitsabläufen die Mitarbeitenden auch entsprechend schulen. Je nach Grad der Veränderung muss die Einführung zudem mit entsprechenden organisatorischen Change Management Massnahmen begleitet werden. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage, wie das Wissen möglichst effizient vermittelt und die Veränderung möglichst positiv geprägt werden können. 

Herausforderungen in grossen Organisationen

Gerade in grossen Organisationen stellt die Vermittlung von Wissen eine grosse Herausforderung dar. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

Anzahl an User: je grösser die Organisation, umso mehr Nutzende müssen bei einer organisationsweiten Einführung von neuen Arbeitsinstrumenten geschult werden.

Heterogenität: Das Vorwissen und die Kenntnisse der Auszubildenden sind sehr heterogen. Dies bedeutet, dass insbesondere bei organisationsweit eingesetzten Tools die Ausbildung beispielsweise sowohl für die sogenannten «Digital Natives» als auch für die «Digital Immigrants» (1) geeignet sein müssen. Weiter unterscheidet sich auch die Einstellung gegenüber der Digitalisierung und allgemein gegenüber Veränderungen stark. 

Räumliche Distanzen: Die Mitarbeitenden von grossen Organisationen sind oft über mehrere Standorte verteilt. Gerade bei multinationalen Unternehmen mit unterschiedlichen Zeitzonen ist die Ausbildung von örtlich getrennten Teams besonders schwierig. Aber auch bei schweizweit verteilten Personen ist die Ausbildung über die verschiedenen Standorte hinweg mit organisatorischem Aufwand verbunden (insbesondere bei Präsenzschulungen). 

Mehrsprachigkeit: Falls nicht eine einzige Unternehmenssprache festgelegt ist, muss die Ausbildung mehrsprachig umgesetzt werden. Gerade in der Schweiz sind Organisationen mit mehreren «offiziellen» Sprachen keine Seltenheit.

Ausbildungszeitpunkt: Je nach gewählter Einführungsmethode (Big Bang vs. iterative Einführung) stellt sich die Frage nach dem optimalen Schulungszeitpunkt. Falls die Mitarbeitenden direkt ab dem ersten Tag nach Einführung mit dem neuen Arbeitsinstrument arbeiten müssen, bedingt dies, dass die Mitarbeitenden bereits vor der Einführung geschult werden. Bei der Ausbildung vor der Einführung ist die Schulung eines noch nicht produktiv nutzbaren Systems für die zukünftigen Benutzenden jedoch oftmals noch ziemlich abstrakt. Dies kann einen geringeren Lerneffekt zur Folge haben. Zudem läuft die Entwicklung und Konfiguration der Software meistens bis zum Einführungstermin. Dies bedeutet, dass zuerst das System fertig entwickelt werden sollte, bevor mit der Schulung gestartet wird. Dies ist jedoch oft realitätsfremd, da dadurch zwischen Einführung und Nutzung ein unproduktiver zeitlicher Abstand entstehen würde. Gerade bei einer hohen Anzahl an Benutzenden kann die Ausbildung schliesslich nicht innerhalb eines Tages geschehen.

Praxisbeispiel: Ausbildung im bundesweiten Programm «GENOVA»

Im Rahmen der vom Bundesrat verabschiedeten Strategie «Digitale Schweiz» wurden verschiedene Massnahmen eingeleitet, um unter anderem den technologischen Entwicklungen Rechnung zu tragen und die Interaktion mit der Bevölkerung zu digitalisieren.
Das Schlüsselprojekt «GENOVA» trägt massgebend dazu bei, dass die Behördenleistungen der Bundesverwaltung möglichst transparent, wirtschaftlich und medienbruchfrei abgewickelt werden können. Durch die bundesweite Einführung des elektronischen Geschäftsverwaltungssystems Acta Nova werden in Zukunft alle geschäftsrelevanten Informationen, welche die Verwaltungseinheiten im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags erstellen oder erhalten, elektronisch geführt. Dies bedeutet, dass rund 30'000 Personen den Umgang mit diesem neuen System und die damit verbundene Arbeitsweise erlernen müssen. 

Die Bundesverwaltung muss sich in diesem Grossprojekt mit sämtlichen oben genannten Herausforderungen der User-Schulung auseinandersetzen: Die zukünftigen Benutzenden des Systems sind sehr heterogen bezüglich ihres Vorwissens, geographisch in der ganzen Schweiz (und teilweise im Ausland) verteilt, mehrsprachig und das System wird parallel zur Einführung weiterentwickelt. 

Die APP darf die Bundeskanzlei, welche das Programm zentral leitet, bei dieser herausfordernden Aufgabe unterstützen. 

Um den verschiedenen Bedürfnissen und Anforderungen möglichst gerecht zu werden, wurde ein sogenannter «Blended Learning» Ansatz gewählt. Dieser Ansatz ermöglicht unabhängiges Lernen, Kommunizieren und Informieren mithilfe digitaler Technologien in Kombination mit Erfahrungsaustauschen, Fallstudien und persönlichen Begegnungen im Präsenztraining. Dabei werden für die Ausbildung unterschiedliche analoge, digitale, Face-to-Face und zeitversetzte Methoden und Hilfsmittel eingesetzt. Konkret begegnen wir den verschiedenen Herausforderungen wie folgt: 

Hohe Anzahl User: Um dem mit der Ausbildung verbundenen, hohen organisatorischen Aufwand entgegenzuwirken, wird eine E-Learning Plattform (Learning Management System LMS) eingesetzt, welche die Administration der Kurse erleichtert und auch die Durchführung von Webinaren (2) ermöglicht. Weiter wurden Web Based Trainings  (WBT) (3) entwickelt und ebenfalls über das LMS zugänglich gemacht. 

Heterogenität: Um einerseits den Nachteilen der E-Learning Angebote wie beispielsweise dem fehlenden Austausch und die tendentiell tiefere Aufnahmefähigkeit entgegenzuwirken und auch die (noch) weniger digital versierten Nutzenden abzuholen, werden auch Präsenzschulungen und Trainings angeboten. Insbesondere wird das Wissen aus den im Selbststudium absolvierten WBTs vertieft und durch Übungen gefestigt. Allgemein wird darauf geachtet, sowohl digitale wie auch analoge Ausbildungsangebote bereit zu stellen. Auf die Abgabe umfangreicher physischer Lernmittel wird jedoch mehrheitlich verzichtet. Neben den WBTs wurden auch «Lernkarten» erarbeitet. Im diesem Kartenset sind die wichtigsten Funktionen und Arbeitsabläufe anhand von Anleitungen und Abbildungen kurz und knapp erklärt (im Gegensatz zum umfangreichen Benutzerhandbuch). Das Kartenset steht den Nutzenden sowohl digital in Form von interaktiven PDFs als auch vereinzelt physisch zur Verfügung. Je nach Vorwissen oder Lerngeschwindigkeit kann folglich das in den Schulungen vermittelte Wissen mithilfe der Lernkarten nachgeschlagen werden.

Räumliche Distanzen: Die Durchführung von Webinaren und die Erstellung von WBTs war für die Überwindung von räumlichen Distanzen zentral. Die Auszubildenden konnten somit auf lange Transfers verzichten und die Ausbildung von ihrem Arbeitsplatz aus geniessen. Die gestaffelte Einführung der Ämter ermöglichte die Durchführung von Präsenzveranstaltungen an diversen Standorten sowie gleichzeitig die Möglichkeit, die Klassen klein zu halten.

Mehrsprachigkeit: Wir haben sichergestellt, dass sämtliche Ausbildungsinhalte und -angebote auf Deutsch, Französisch und Italienisch zur Verfügung stehen. Dies gelang unter anderem durch den Einsatz einer mehrsprachigen Beraterin, welche sicherstellte, dass die Übersetzungen der Lernmittel und des Systems im Kontext korrekt und verständlich sind. 

Ausbildungszeitpunkt: Da die Einführung in den einzelnen Ämtern als Big Bang erfolgt, müssen die Nutzenden am Tag des Go Live bereits geschult sein, um ihre Arbeiten erledigen zu können. Dies bedeutet, dass parallel zur Konfiguration und Weiterentwicklung des Systems bereits die Hilfsmittel erarbeitet werden müssen und die Ausbildung der Mitarbeitenden erfolgen muss. Dieser Herausforderung begegnen wir, indem die Mitarbeitenden zwar bereits vor der Einführung geschult werden, nach der Einführung jedoch noch von sogenannten Floorwalkern begleitet werden und ihnen mit den WBTs und den Lernkarten verschiedene Nachschlagewerke und teilweise auch Vertiefungskurse zur Verfügung stehen. Floorwalker sind Supportmitarbeitende oder Ausbildende, die in den ersten Tagen nach Einführung bei den Mitarbeitenden vor Ort sind und bei Fragen zur Verfügung stehen. Sie können bei Unklarheiten rasch unterstützen und bei allfälligen (technischen) Problemen Massnahmen ergreifen.

Bei den Ämtern, die die Software bereits eingeführt haben, hat sich der Blended Learning Ansatz bewährt. Es hat sich gezeigt, dass der Mengenbedarf an Ausbildungsangeboten unter den Mitarbeitenden sehr individuell ist und sich die Präferenzen stark unterscheiden. Trotz der verschiedenen Vorteile von E-Learning wie der örtlichen und zeitlichen Flexibilität, ist die Nachfrage nach Präsenzschulungen weiterhin hoch. Gleichzeitig werden die WBTs und die Lernkarten als Vorbereitung für die Kurse aber auch als Nachschlagewerk bei Unsicherheiten sehr geschätzt.

Dank der vielseitigen Ausbildung ist folglich sichergestellt, dass die zahlreichen Mitarbeitenden der Bundesverwaltung effizient und ihren Bedürfnissen entsprechend geschult werden können.

Möchten Sie mehr über dieses spannende Thema erfahren oder wissen, wie die APP auch Sie bei einem herausfordernden Vorhaben unterstützen kann? Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.


(1) Eine Person, die nicht im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist und somit den Umgang mit digitalen Technologien als Erwachsene bzw. Erwachsener lernen musste, bezeichnet man als Digital Immigrant. Ein Digital Native hingegen ist mit der digitalen Welt und deren Technik aufgewachsen.

(2) Die Teilnehmenden eines Webinars werden auf einer Onlineplattform, meistens mit Einbezug eines bzw. einer Dozierenden, unterrichtet. Im Unterschied zu Webcasts oder ähnlichen Medien finden die interaktiven Webinare meistens live statt und sind somit nur begrenzt verfügbar (siehe auch Practice Paper «Der Wandel des Lernens»

(3) In den online absolvierten WBTs werden der bzw. dem Lernenden die Informationen Schritt für Schritt vermittelt und er kann mithilfe interaktiver Elemente den Dialog mit der Lernsoftware aufnehmen.

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