12 Erfolgsfaktoren für Beschaffungen (Teil 1)

09. November 2022

Wir haben unsere Erfahrungen aus über 300 durchgeführten Beschaffungen in 12 Erfolgsfaktoren für Sie zusammengefasst. Die ersten sechs stellen wir Ihnen nachfolgend vor, die Erfolgsfaktoren Nr. 7 bis 12 finden Sie in diesem Fachbeitrag.

Der Zuschlag in einem Beschaffungsverfahren soll gemäss Art. 41 des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesens (BöB) an das «vorteilhafteste» Angebot gehen. Dass dies gelingt, ist sicher ein wesentlicher aber nicht der einzige Aspekt einer erfolgreichen Beschaffung, wie der erste unserer zwölf Erfolgsfaktoren für Beschaffungen nahelegt:

1. Der Business Case

Ein Angebot mag relativ zu den im Beschaffungsverfahren formulierten Kriterien und deren Gewichtung das vorteilhafteste sein, aber wenn die Beschaffung zum gegebenen Zeitpunkt nicht sinnvoll ist, dann sollte ein Zuschlag zum vorteilhaftesten Angebot trotzdem nicht als Erfolg verbucht werden. Bevor ein Beschaffungsverfahren in Gang gesetzt wird, muss mindestens gründlich abgeklärt werden, ob

  • ein hinreichender und relativ zu anderen Lösungsvarianten (z. B. Eigenentwicklung oder in anderen Organisationseinheiten bereits vorhandene Lösungen) höherer Nutzen der Beschaffung gegeben ist,
  • die Beschaffung wirtschaftlich oder ungeachtet ihrer Wirtschaftlichkeit notwendig ist (z. B. aufgrund des Zwangs zur Umsetzung bestimmter Vorgaben),
  • Varianten wie z. B. Auslagerung und Beschaffung einer bestimmten Dienstleistung anstelle der Beschaffung einer Applikation zur selbstständigen Erbringung der fraglichen Dienstleistung sinnvoller wären und
  • ob die Beschaffung und spätere Nutzung und Pflege des Produkts oder der Dienstleistung finanzierbar ist.

Wie der Business Case, so sind auch die Erfolgsfaktoren Nr. 2 und 3 für alle projektartigen Vorhaben von hoher Relevanz, zu welchen eben mindestens auch komplexere, umfangreichere Beschaffungen gehören: Die organisatorische Einbettung des Vorhabens und das Stakeholdermanagement.

2. Die organisatorische Einbettung

Wenn eine Beschaffung Teil eines kompetent aufgesetzten Projekts ist, dann wird nicht nur vorgängig zum eigentlichen Beschaffungsverfahren der Business Case geklärt, sondern es werden auch weitere wichtige inhaltliche sowie planerische und organisatorische Vorarbeiten zeit- und qualitätsgerecht durchgeführt.

Zu den inhaltlichen Vorarbeiten gehören insbesondere die Klärung der rechtlichen Grundlagen, die Abgrenzung des Beschaffungsgegenstandes, die Erhebung und Formulierung von fachlichen und allenfalls technischen Anforderungen an den Beschaffungsgegenstand sowie die Durchführung einer Marktanalyse.

Zu den planerischen und organisatorischen Vorarbeiten gehören die Definition der Abläufe und Verantwortlichkeiten zur Sicherstellung der Governance und der Qualität der zu erarbeitenden Ausschreibungsunterlagen sowie realistische Aufwand- und Terminschätzungen – nicht nur für das Beschaffungsverfahren selbst, sondern auch für die Projektarbeiten nach der Vertragsunterzeichnung mit dem Zuschlagsempfänger. Das Fehlen einer angemessenen organisatorischen Einbettung eines Beschaffungsverfahrens erhöht das Risiko von Qualitätsproblemen, Terminverzögerungen, unnötigem Mehraufwand und ungenügendem Einbezug der Stakeholder.

3. Das Stakeholdermanagement

Wenn die in den Ausschreibungsunterlagen formulierten Kriterien zur Bewertung der Angebote nicht in angemessener Art und Weise die Bedürfnisse und Anforderungen der Stakeholder widerspiegeln, dann kann ein Anbieter noch lange alle Muss-Kriterien erfüllen und 100 % der Punkte in den Zuschlagskriterien erzielen – sein Produkt oder seine Leistung wird der Bedarfsstelle trotzdem nicht viel bringen.

Die zentralen Stakeholder sind sicher die späteren Nutzer:innen des Beschaffungsgegenstandes, aber auch Vorgabestellen (z. B. ein Architekturboard), allfällige Betreiber sowie die Entscheidungsträger:innen im Projekt und in der Linie müssen einbezogen werden, damit der Zuschlag zum (relativ zu den formulierten Kriterien) vorteilhaftesten Angebot auch wirklich ein Erfolg wird.

4. Die Beschreibung des Beschaffungsgegenstandes

Eine grobe Beschreibung mindestens des zentralen Beschaffungsgegenstandes – z. B. einer zur Entwicklung auszuschreibenden Applikation – ist beim Startschuss zur Erarbeitung der Ausschreibungsunterlagen bereits vorhanden, wenn der Erfolgsfaktor Nr. 2 gegeben ist.

Damit die Realisierung oder Lieferung, Einführung und spätere Nutzung des zentralen Beschaffungsgegenstandes möglichst reibungslos und innerhalb des geplanten Termin- und Kostenrahmens verlaufen wird, muss «der Beschaffungsgegenstand» in den Ausschreibungsunterlagen aber breiter verstanden werden: Der Entwickler oder Lieferant soll im Rahmen der Realisierung und Einführung des zentralen Beschaffungsgegenstandes in der Regel z. B. auch Projektmanagementaufgaben wie Planung, Fortschrittskontrolle und Reporting übernehmen, und eventuell soll er in der Nutzungsphase auch Weiterentwicklungs-, Wartungs- und Supportaufgaben wahrnehmen.

Bei der Beschaffung von Produkten oder Dienstleistungen, deren spätere Nutzung mit hohen Risiken verbunden ist, kann es z. B. auch sinnvoll sein, mit einem separaten Los eine unabhängige, auf einschlägige Qualitätssicherung spezialisierte Firma zu suchen. Alle Produkte und Leistungen, die für eine erfolgreiche Realisierung oder Lieferung, Einführung und späteren Nutzung des zentralen Beschaffungsgegenstandes nötig sind und extern beschafft werden müssen, gehören zum Beschaffungsgegenstand einer Ausschreibung.

Ist der Umfang des Beschaffungsgegenstandes klar, stellt sich die Anschlussfrage nach dem nötigen Detaillierungsgrad der Beschreibung. Dass hierzu mindestens die wichtigsten Anforderungen, Angaben zum Leistungsumfang sowie zum Bezugszeitpunkt oder -raum der verschiedenen Komponenten des Beschaffungsgegenstandes gehören, ist der einfachere Teil der Antwort auf diese Frage. Schwieriger und nicht unabhängig von der Art der geplanten Leistungsvergütung (z. B. mit einem Fixpreis oder nach Aufwand mit Kostendach) zu beantworten, ist, wie detailliert und umfangreich die Anforderungen an den zentralen Beschaffungsgegenstand und die ergänzenden Leistungen beschrieben werden müssen, damit die Beschaffung ein Erfolg wird.

Als Grundsatz gilt: Wenn die Anbieter einen Fixpreis offerieren sollen, dann müssen die betreffenden Produkte und Leistungen so vollständig und detailliert wie möglich beschrieben werden, damit eine zuverlässige Kostenschätzung seitens Anbieter erfolgen kann. Wird für eine bestimmte Leistung hingegen ein Stundenkontingent mit Kostendach ausgeschrieben, dann darf die Beschreibung der betreffenden Komponente des Beschaffungsgegenstandes deutlich gröber ausfallen. Es besteht dann zwar eine grössere Unsicherheit darüber, welche genauen Leistungen zu welchem Preis man am Ende erhält, dafür ist der Gestaltungsspielraum beim Leistungsbezug deutlich höher, wie das ja etwa in agilen Software-Entwicklungsprojekten explizit erwünscht ist.

5. Die Schätzung des Auftragsvolumens

Es ist ärgerlich, zeit- und kostenaufwendig, wenn man ein Einladungsverfahren durchführt und bei der Bewertung der Angebote feststellt, dass alle Preise deutlich über dem erlaubten Schwellenwert für Einladungsverfahren liegen. Vergibt man wider oder mangels besseren Wissens trotzdem einen Zuschlag, drohen Beschwerden und Gerichtsverfahren.

Zusätzlich zu ihrer zentralen Rolle bei der Verfahrenswahl (vgl. Erfolgsfaktor Nr. 6) reduziert eine realistische, den gesamten Beschaffungsgegenstand (vgl. Erfolgsfaktor Nr. 4) umfassende Schätzung des Auftragsvolumens auch das Risiko deutlich, dass ein Beschaffungsverfahren im Verlaufe der Angebotsbewertung abgebrochen werden muss, weil die Bedarfsstelle nicht die nötigen finanziellen Mittel für den Bezug der Leistungen hat. Wie bei fast allen Schätzungen empfiehlt sich zudem, angemessene Reserven einzurechnen, damit später hinreichend Flexibilität im Umgang mit Unvorhergesehenem gegeben ist.

6. Die Wahl und Umsetzung des Beschaffungsverfahrens

Die Wahl und korrekte Umsetzung des innerhalb der rechtlichen Vorgaben geeignetsten Verfahrens hinsichtlich inhaltlichen, terminlichen und finanziellen Zielen des Beschaffungsprojekts

  • erhöht die Chance, dass nur so viel Zeit und Aufwand in die Beschaffung investiert wird, wie unbedingt nötig,
  • bietet oftmals eine Möglichkeit, die Anzahl eingehender Angebote zweckmässig zu beeinflussen (z. B. via Einladungs- oder selektivem Verfahren),
  • bietet die Möglichkeit, besonders innovativen und individuell zugeschnittenen Angeboten mehr Raum zu geben (z. B. via Dialog- oder Wettbewerbsverfahren) und
  • senkt das Risiko von Beschwerden und Gerichtsverfahren.

Für die Wahl des Beschaffungsverfahrens sollten neben den in Anhang 4 des BöB definierten Schwellenwerten auch immer geprüft werden, ob die Beschaffung allenfalls unter eine der Ausnahmen gemäss Art. 10 fällt, oder ob unabhängig vom Auftragsvolumen eine freihändige Vergabe gemäss Art. 21, Absätze 3 und 4, angezeigt ist.

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