Wir haben unsere Erfahrungen aus über 300 durchgeführten Beschaffungen in 12 Erfolgsfaktoren für Sie zusammengefasst. Die ersten sechs Erfolgsfaktoren finden Sie in diesem Fachbeitrag, die Erfolgsfaktoren Nr. 7 bis 12 stellen wir Ihnen nachfolgend vor.

7. Gute Marktkenntnisse

Das grösste Risiko schlechter Marktkenntnisse: Sie schreiben Produkte oder Dienstleistungen aus, die so gar niemand auf dem Markt verkauft und erhalten deshalb keine oder keine passenden Angebote auf Ihre Ausschreibung.

Gute Marktkenntnisse beschränken sich aber nicht auf das Wissen, ob es überhaupt Standardlösungen gibt für Ihre Bedürfnisse. Vielmehr kennen Sie auch die wichtigsten, hinsichtlich Ihren Beschaffungszielen relevanten Unterschiede zwischen den verfügbaren Produkten / Dienstleistungen und deren Anbieterinnen. Das Wissen über relevante Unterschiede können Sie insbesondere nutzen bei

  • der Wahl des Beschaffungsverfahrens (siehe Erfolgsfaktor Nr. 6), z. B. durch den Entscheid für ein selektives Verfahrens in Kombination mit dem Dialogverfahren, falls eine hohe Anzahl von Anbieterinnen in Frage kommt und gleichzeitig der Gestaltungsspielraum bei der Lösung hoch ist,

  • der Ausgestaltung des Beschaffungsdesigns (siehe Erfolgsfaktor Nr. 8), z. B. durch die Unterteilung der Ausschreibung in geeignet voneinander abgegrenzte Lose, falls keine Anbieterin allein die gewünschte Lösung bieten kann,

  • der Auswahl und Formulierung von Ausschluss- und Zuschlagskriterien (siehe Erfolgsfaktoren Nr. 9 und 10), sodass nur jene Kombinationen von Anbieterinnen und Lösungen die Ausschlusskriterien erfüllen, welche grundsätzlich gut genug wären für Ihre Bedürfnisse und Sie anhand der Zuschlagskriterien das bestgeeignete aller guten Angebote auswählen können.

8. Ein geeignetes Beschaffungsdesign

Die Gestaltung des Beschaffungsdesigns erfolgt in enger Abstimmung mit der Beschreibung des Beschaffungsgegenstandes (siehe Erfolgsfaktor Nr. 4) und unter Berücksichtigung der Marktkenntnisse gemäss Erfolgsfaktor Nr. 7. Dabei gilt es insbesondere folgende Entscheidungen zu treffen:

  • Soll der Beschaffungsgegenstand in mehrere Lose unterteilt werden und, wenn ja, wie können die Lose am besten voneinander abgegrenzt werden? Auch ob eine Anbieterin auf mehrere Lose ein Angebot einreichen darf, muss in diesem Rahmen festgelegt werden. Grundsätzlich erhöht eine an der Marktsituation orientierte Unterteilung der Ausschreibung in Lose in vielen Fällen die Chance, dass geeignete Angebote eingehen, bringt aber etwa auch mit sich, dass mit mehreren Zuschlagsempfängern Verträge abgeschlossen werden müssen und mindestens im weiteren Projektverlauf dann auch mehrere Lieferantinnen geführt werden müssen.

  • Soll der Beschaffungsgegenstand in Grundleistungen und Optionen gegliedert werden und wenn ja, wie genau? Da der Bezug ausgeschriebener Grundleistungen nahezu sicher ist – unvorhergesehene kritische Ereignisse wie eine unerwartete Nichtverfügbarkeit des Budgets ausgenommen – erhöhen umfangreiche Grundleistungen die Chance des Eingangs guter Angebote: Grundleistungen bieten den Anbieterinnen eine im Vergleich zu Optionen, die ja eventuell nicht bezogen werden, hohe Planungssicherheit, was sich sowohl in der Bereitschaft, überhaupt ein Angebot einzureichen als auch in dessen Preis niederschlagen kann.

  • Wie soll die Leistungsvergütung erfolgen? Soll ein Werkvertrag mit Fixpreis abgeschlossen werden, ein Dienstleistungsvertrag mit Stundenkontingent oder gar nur ein Rahmenvertrag? Die jeweiligen Vor- und Nachteile sollten stets mit Blick auf den konkreten Beschaffungsgegenstand analysiert und bewertet werden. Dabei ist nicht nur zu berücksichtigen, wer das finanzielle Risiko (mindestens in einem ersten Schritt) trägt, sondern etwa auch, auf welche Art und Weise der Auftraggeber im Projektverlauf Einfluss nehmen können will.

9. Angemessene Ausschlusskriterien

Ist das Beschaffungsdesign festgelegt, gilt es, die Kriterien zur Bewertung der Angebote zu erarbeiten. Von speziellem Interesse sind hier die Eignungskriterien, anhand derer die Eignung der Anbieterinnen sichergestellt werden soll, sowie die technischen Spezifikationen, welche die Mindestanforderungen an das Produkt oder die Dienstleistung beschreiben. Obwohl es auch ab und zu vorkommt, dass wichtige Mindestanforderungen an Anbieterinnen oder Lösung vergessen gehen, ist viel häufiger zu beobachten, dass unnötig strenge Eignungskriterien oder technische Spezifikationen formuliert werden. Fähige Anbieterinnen und gute Lösungen werden so ohne hinreichenden Grund ausgeschlossen, im schlimmsten Fall gehen überhaupt keine Angebote ein.

10. Zweckdienliche Zuschlagskriterien

Während mit Eignungskriterien und technischen Spezifikationen die Mindestanforderungen an die Anbieterinnen und Produkte oder Dienstleistungen festgelegt werden, dienen Zuschlagskriterien der Ermittlung des vorteilhaftesten Angebots. In Art. 29 Absatz 1 BöB / IVöB werden neben dem Preis und der Qualität der Leistung zahlreiche weitere Themen aufgezählt, zu welchen Zuschlagskriterien formuliert werden dürfen. Dazu gehören etwa Nachhaltigkeit, Zweckmässigkeit, Lebenszykluskosten, Ästhetik und Kreativität, wie auch Servicebereitschaft oder Fachkompetenz.

Die Themen, zu welchen Zuschlagskriterien formuliert werden, sollten nach bestem Wissen und Gewissen so ausgewählt werden, dass sie eine möglichst nutzbringende und deutliche Differenzierung zwischen den Angeboten erlauben. «Nutzbringend» ist dabei weit zu verstehen, so dass nicht nur der unmittelbare Nutzen für die Beschaffungsstelle, sondern etwa auch der Nutzen für die Gesamtgesellschaft in Gestalt der volkswirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit berücksichtigt wird (siehe Fachbeitrag «Das APP-Verständnis nachhaltiger Beschaffungen» für eine Konkretisierung unseres Nachhaltigkeitsverständnisses).

Für die anzustrebende Deutlichkeit der Differenzierung zwischen den Angeboten ist nicht nur die Themenauswahl, sondern auch die konkrete Formulierung, die relative Gewichtung und die genaue Art der Bewertung der Zuschlagskriterien relevant. Gute Marktkenntnisse (siehe Erfolgsfaktor 7) und geschickte Bewertungsmassstäbe reduzieren das Risiko, dass Zuschlagskriterien formuliert werden, die durch alle Angebote gleichermassen erfüllt oder nicht erfüllt werden. Solche Kriterien leisten keinen Beitrag zur inhaltlichen Differenzierung zwischen den Angeboten und führen so dazu, dass das Zuschlagskriterium «Preis» ungewollt mehr Gewicht erhält.

11. Eine schlüssige Zuschlagsbegründung

Eine klare und gut nachvollziehbare Begründung des Entscheids zugunsten eines bestimmten Angebots erfüllt zwei Zwecke: Erstens bietet sie Sicherheit für die Beschaffungsstelle, dass in der Tat das vorteilhafteste Angebot den Zuschlag erhält. Melden Mitglieder des Evaluationsteams oder Entscheidungsträger:innen bei der Prüfung der Begründung Zweifel an, ist die Herleitung und darauf basierende Begründung des Entscheids sicher zu überdenken. Zweitens müssen Zuschläge (mit Ausnahme von freihändigen Vergaben unterhalb des massgebenden Schwellenwerts) anhand von beschwerdefähigen Verfügungen durch Veröffentlichung oder individuelle Zustellung an die Anbieterinnen eröffnet werden. Diese Zuschlagsverfügungen müssen gemäss Art. 51 Absatz 3 BöB / IVöB unter anderem die massgebenden Merkmale und Vorteile des berücksichtigten Angebots im Sinne einer summarischen Begründung des Zuschlags umfassen. Ist diese Begründung klar und insbesondere für die nichtberücksichtigten Anbieterinnen gut nachvollziehbar, sinkt das Risiko von Beschwerden und evtl. reduziert sich auch die Anzahl Anbieterinnen, die ein individuelles Debriefing wünschen.

12. Überzeugende Debriefings

Während der Fokus in der summarischen Begründung des Zuschlags auf den Merkmalen und Vorteilen des berücksichtigten Angebots liegt, werden in einem Debriefing die wesentlichen Gründe für die Nichtberücksichtigung eines Angebots bekanntgegeben. Nichtberücksichtigten Anbieterinnen vor Ablauf der Beschwerdefrist ein Debriefing anzubieten, ist nicht nur ein Zeichen des Respekts vor dem Engagement der Anbieterinnen im Rahmen des Beschaffungsverfahrens, sondern neben schlüssigen Zuschlagsbegründungen auch eine weitere Möglichkeit, das Risiko von Beschwerden gegen die Zuschlagsverfügung zu reduzieren. In Beschaffungen des Bundes ist das Gewähren eines Debriefings auf Verlangen einer nichtberücksichtigen Anbieterin sogar Pflicht (Art. 12 VöB).

Mehr zum Thema

Lesen Sie auch den ersten Fachbeitrag dieser Beitragsreihe und weitere Fachbeiträge zum Thema:

Möchten Sie mehr über dieses spannende Thema erfahren und/oder brauchen Sie Unterstützung bei Ihren Beschaffungsvorhaben? Zögern Sie nicht uns per Telefon unter 058 320 30 00, per E-Mail unter office@app.ch oder mittels des untenstehenden Formulars zu kontaktieren. Unsere Expertinnen und Experten freuen sich auf Ihre Anfrage.

Ihre Ansprechperson

Kontaktieren Sie uns

Haben Sie Fragen zu unseren Dienstleistungen? Kontaktieren Sie uns per Kontaktformular. Unsere Expert:innen melden sich in Kürze bei Ihnen.