In den 2000er-Jahren kam Digitalisierung als Trendthema auf und hält sich seither auf dem Radar der meisten Unternehmen und Organisationen – ob klein oder gross. Wir haben bereits eine ganze Beitragsreihe speziell zur Digitalisierung in KMUs verfasst, da wir gerade dort noch besonders viel Potenzial sehen. Ausserdem finden sich auf unserer Website weitere Beiträge zu Digitalisierung im Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung und im Banking.

In diesem Beitrag widmen wir uns erstmals der weit verbreiteten Angst eines Jobverlustes durch die Digitalisierung. Denn soll ein Digitalisierungsvorhaben in einer Unternehmung oder Organisation erfolgreich sein, muss diese Angst unbedingt ernst genommen werden. Nachfolgend teilen wir mit Ihnen Erkenntnisse aus einem Unternehmen der Arbeitsintegration. Bei diesen Organisationen sind Ängste und Vorbehalte gegenüber Digitalisierungsvorhaben besonders relevant.

Was sind Arbeitsintegrationsunternehmen?

Wie ihr Name schon sagt, verstehen sie es als ihren Unternehmenszweck, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Von staatlichen Behörden werden ihnen stellensuchende Personen, IV-Bezüger:innen und/oder Sozialhilfeempfänger:innen zugewiesen, für welche sie Tagesstrukturen, Beschäftigungsprogramme und Ausbildungen anbieten. Dabei sind sie in verschiedensten Branchen von Gartenbau und Reinigung über Handwerk und Industrie bis hin zu Gastronomie und KV-Dienstleistungen tätig, um ihren Klient:innen ein vielfältiges Angebot bieten zu können. Oftmals suchen sie manuelle Arbeiten, die ohne grosse Einarbeitung durchgeführt werden können. Als typische Beispiele lassen sich z. B. Konfektionierung oder Verpackung nennen. Ihre Klient:innen verfügen oft über keine abgeschlossene Berufsausbildung und arbeiten im Idealfall nur für eine Übergangszeit dort. Eine kurze Anlern-Phase ist somit essenziell.

Nebst ihren Klient:innen beschäftigen Arbeitsintegrationsunternehmen Fachkräfte aus den von ihnen bedienten Branchen, die zudem arbeitsagogisch oder sozialpädagogisch geschult sind. In der Schweiz gibt es über 1’000 solcher Arbeitsintegrationsunternehmen, wobei sie sich in Branchen, Schwerpunkten und Grösse stark unterscheiden. Ihre Finanzierung stammt meist aus mehreren Quellen: So erhalten sie unterschiedliche Arten von staatlichen Beiträgen, erwirtschaften über ihre Produkte und Dienstleistungen Erträge am Markt und betreiben teilweise auch Spenden-Fundraising.

Zusammengefasst sind Arbeitsintegrationsunternehmen speziell auf einfache Arbeiten angewiesen, welche im Zuge der Digitalisierung andernorts gerne wegautomatisiert werden. Sie stehen somit in einem besonderen Spannungsfeld, einerseits die Vorzüge der Digitalisierung zu nutzen und andererseits trotzdem genug Arbeit für Ihre Klient:innen zu behalten. Wie man mit dieser Spannung umgehen kann, möchten wir gerne anhand eines realen Beispiels illustrieren: Wir haben dazu mit Philipp Schön gesprochen, Geschäftsleitungsmitglied und Leiter Unternehmensentwicklung der Stiftung Wendepunkt.

Ein Beispiel: Stiftung Wendepunkt

Die Stiftung Wendepunkt beschäftigt rund 200 Fachkräfte und verfügt über 900 Arbeits-, Abklärungs-, Ausbildungs-, Wohn- und Tagesplätze. Sie betätigt sich u. a. in den Branchen Montage, Logistik, Produktion, Liegenschaftsservice, Gartenbau, Gastronomie und Konditorei. Im Jahr 2017 wurde der strategische Entscheid getroffen, die Digitalisierung voranzutreiben und ein Ideenkatalog mit über 80 Items wurde erstellt. Mittlerweile ist etwa die Hälfte davon bereits umgesetzt, wobei die Projekte von ganz klein bis hin zur Entwicklung einer eigenen Software zur Klient:innenadministration reichen.

Die Digitalisierung der Stiftung Wendepunkt ist mit einem klaren Zweck verbunden: Die Menschen zu unterstützen, um die Arbeit im Alltag effizienter gestalten zu können. Konkret sollen die Fachkräfte dadurch mehr Zeit für die Betreuung der Klient:innen gewinnen und so in die Arbeit mit ihnen investieren können. Es werden folglich vor allem administrative Aufgaben der Fachkräfte digitalisiert. Trotzdem spürt die Stiftung die mit der Digitalisierung verbundene Spannung. So kam es vor, dass Klient:innen-Arbeiten wegfielen, als in der Buchhaltung Papierdokumente digitalisiert wurden.

Solche Fälle sind allerdings äusserst selten. Gleichzeitig werden durch die Digitalisierung neue Stellen und Bereiche wie das interne Backoffice der Stiftung Wendepunkt geschaffen. Einerseits konnten gewisse administrative Tätigkeiten so weit vereinfacht werden, dass sie von Klient:innen ausgeführt werden können. Andererseits eröffnen sich neue Tätigkeitsfelder wie etwa das Projekt Restwert, welches digitales Arbeiten voraussetzt und fördert. Weiter sind durch den Aufbau und Betrieb des Mundart-Shops (Webshop) viele Klient:innen-Arbeiten entstanden, sowohl im Bestell-Prozess wie auch bei der Konfektionierung und dem Versand von Artikeln.

Den Ängsten der Belegschaft konnte also begegnet werden, indem gezielt periphere Arbeitsbereiche der Mitarbeitenden digitalisiert wurden, sodass sie sich mehr auf ihre Kernaufgaben fokussieren konnten. Und falls doch einmal eine Stelle wegfiel, konnten durch die Digitalisierung mehrere neue geschaffen werden.

Wie kann man mit Herausforderungen der Digitalisierung umgehen?

Das Beispiel der Stiftung Wendepunkt illustriert gut folgende wichtige Aspekte für den Umgang mit Herausforderungen und Ängsten bezüglich der Digitalisierung:

1. Digitalisierung ist ein strategisches Thema und verfolgt einen Zweck:

Digitalisierung sollte nicht um ihrer selbst willen stattfinden, sondern muss strategische Ziele unterstützen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass aus der Digitalisierung ein Nutzen fliesst. Selbst im Falle externer Digitalisierungsvorgaben lohnt es sich also, sie in die eigene Geschäftsstrategie zu integrieren.

2. Die Risiken und Chancen der Digitalisierung sind zu berücksichtigen:

Digitalisierung geht mit viel Veränderung einher, birgt aber auch viele – teilweise ungeahnte – Chancen. Durch interne und externe Analysen können diese Aspekte identifiziert und im weiteren Verlauf des Digitalisierungsprozesses einbezogen und bearbeitet werden.

3. Digitalisierung ist mit Change Management zu begleiten:

Digitalisierung hat einen Einfluss auf die Strukturen und Prozesse der betroffenen Organisation und führt zu Verunsicherung. Bedenken und Ängste sollten beachtet und Bedürfnisse ernst genommen werden, damit sich der Mehrwert der Digitalisierung entfalten kann. Im Laufe des Prozesses wird das Vertrauen wachsen und neue Bedürfnisse werden hervortreten. Da ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden auf offene Ohren stossen und die benötigten Hilfestellungen während dem ganzen Prozess erhalten.

Das APP Vorgehensmodell der Digitalisierung kann Sie dabei unterstützen, ganzheitlich zu digitalisieren und wichtige Kontextthemen nicht zu vernachlässigen. Es hilft, Digitalisierungpotenziale zu erkennen, Ziele festzulegen, betroffene Handlungsfelder zu bestimmen und schliesslich eine Roadmap für Vorhaben zu entwickeln. Dabei werden stets die Bedürfnisse der verschiedenen Stakeholder beachtet und Spannungsfelder thematisiert.

Gerne begleiten wir Sie mit unserer langjährigen Erfahrung und unserem umfassenden Methodenwissen, um die Digitalisierung in Ihrer Organisation optimal zu gestalten. Auch für die anschliessende Umsetzung Ihres Digitalisierungsvorhabens können Sie auf unsere weitreichenden Kompetenzen zurückgreifen. Kontaktieren Sie uns gerne für ein unverbindliches Gespräch und schildern Sie uns Ihre Herausforderungen mit der Digitalisierung.

Quellen:

  • Crivelli, L., Bracci, A., & Avilés, G. (2012). Das Modell der Sozialfirma "Made in Switzerland": Resultate einer landesweit durchgeführten explorativen Studie. Manno (TI): SUPSI.

  • Ferrari, D., Adam, S., Amstutz, J., Avilés, G., Crivelli, L., Greppi, S., … Zöbeli, D. (2016). Sozialfirmen in der Schweiz: Grundlagen zur Beantwortung des Postulats Carobbio Guscetti “Rolle der Sozialfirmen“ (13.3079). Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen.

  • Widmer, D. (2021). Innovation in der Finanzierungsstrategie von Schweizer Sozialunternehmen [Masterarbeit]. Universität St.Gallen

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